Die Verlockung der Gugelhupfe

Michael Lange lenkt nicht nur den Radtramper zwischen Waidhofen an der Ybbs und Lunz am See, er weiß auch Antworten auf wichtige Fragen wie die, wo es am Ybbstalradweg gute Mehlspeisen gibt…

Als Lastwagenfahrer hat Michael Lange schon viele Tonnen Güter, als Bus-Chauffeur unzählige Fahrgäste über Europas Straßen transportiert. Die liebsten Passagiere sind ihm jedoch Radfahrende. „Bei anderen Fahrgästen kommt es schon einmal vor, dass jemand ausfällig wird. Radfahrer aber sind immer relaxed, immer freundlich.“ Selbst dann, wenn der Busfahrer aus Dresden, der seit zwölf Jahren in Göstling daheim ist, sie ausnahmsweise an der Haltestelle stehen lassen muss. Schließlich ist der Ybbstalradweg zwischen Waidhofen an der Ybbs und Lunz am See bei schönem Wetter ein begehrtes Ziel für alle, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. An diesen Tagen bleibt auch auf dem Radtramper, den Michael Lange mit der Erfahrung Dutzender Berufsjahre wie auf Schienen parallel zum Radweg durch das Ybbstal steuert, kaum eine Halterung frei. „Aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand gestresst ist, weil ich ihn nicht mehr mitnehmen kann. Die meisten fahren dann halt noch ein Stück weiter oder rufen sich ein Radtaxi.“

25 Fahrräder kann Michael Lange auf dem Anhänger des Busses verstauen. In der Anfangszeit des Radtrampers waren es zwar zehn mehr, dafür war das Beladen schwieriger: „Man musste die Räder abwechselnd an Vorder- und Hinterrad aufhängen.“ Das ging nur, weil früher deutlich weniger Radler mit E-Bikes unterwegs waren. „Zu Beginn waren es vielleicht fünf Prozent, jetzt sind es bestimmt siebzig Prozent.“ Mit bis zu 35 Kilo sind E-Bikes nicht nur viel schwerer als herkömmliche Räder, sondern lassen sich wegen der oft breiten Lenker auch nicht so platzsparend verstauen. Ohne elektrische Unterstützung kommen die treuesten Fahrgäste des Radtrampers aus, obwohl beide schon über siebzig Jahre alt sind: Ein Ehepaar aus Waidhofen lässt sich jedes zweite oder dritte Wochenende mit dem Radtramper bis Lunz bringen, um von dort aus die 55 Kilometer zurück nach Hause zu radeln.

Weil der Radweg auf der Trasse der ehemaligen Schmalspurbahn verläuft, sind die 250 Meter Höhenunterschied nicht spürbar. Neben Pensionisten sind deshalb auch viele Familien hier unterwegs. „Ihnen allen gefällt, dass es immer am Fluss entlanggeht“, sagt Lange. So macht nicht nur das Radeln Spaß, es liegen auch zahlreiche Badeplätze am Weg. „Da hat es schon Radfahrer gegeben, die fast den letzten Bus verpasst haben, weil sie so lange auf einer der Kiesbänke gelegen sind.“

Zu einem längeren Aufenthalt verlocken auch die Gasthäuser am Weg. „Nach einer guten Mehlspeise haben mich schon viele Radfahrer gefragt. Das muss wohl an der Kalorienverbrennung liegen“, meint Lange und lacht. Oder daran, dass die Berge hier aussehen wie Gugelhupfe, von denen mitunter an einer schroffen Felswand bereits ein großes Stück abgeschnitten wurde. Auch im Fall einer Panne ist auf Michael Lange Verlass. „Als einmal ein Radfahrer einen Patschen hatte und in Waidhofen reparieren lassen musste, während sich seine Freunde schon auf den Weg nach Lunz gemacht hatten, habe ich einen Kollegen informiert, der den Radfahrer in seinem Bus mitgenommen und die Gruppe in Göstling wieder vereint hat.“

An seinen freien Tagen radelt der 56-Jährige selbst gern von Göstling nach Waidhofen. Im Radweg-Stüberl Kogelsbach lässt er sich ein Radfahrer-Menü schmecken. Auch wenn viele Gasthäuser
inzwischen Ladestationen für E-Bikes haben, bevorzugt Lange sein Mountainbike: „Ich bin da mehr fürs Treten.“ Und falls die Kräfte schwinden, kann ihn ja der Kollege im Radtramper zu seinem Haus am Fuße des Hochkars zurückbringen.

www.ybbstalradweg.at

Autorin: Christina Rademacher