Auf dem Traisental-Radweg

Auf dem Rad im Sommerregen

Julisonntag, dreiviertel neun in der Früh, doch am Himmel hängen Wolken. „Das wird immer schlimmer“, kommentiert der Buschauffeur, als wir aus St. Pölten hinausfahren. Zwischen Traisen und Lilienfeld macht er dann eine freundlichere Bemerkung: „Da ist die Straße ganz trocken!“ Je weiter wir ins Gebirge fahren, desto mehr lichtet sich die Wolkendecke. An der Endstation Kernhof blinzelt sogar kurz die Sonne hervor.

„Bei schönem Wetter kann jeder den idyllischen Traisental-Radweg fahren. Richtig romantisch wird er aber erst bei feuchtem Wetter.“

An den Ufern der Traisen zeigt sich die Vielfalt des Mostviertels: Der Fluss führt Gegensätze zusammen. Das klingt pathetisch, aber es sind wahrlich zwei Welten, getrennt von 111 Kilometern Radweg – und nicht nur wettertechnisch. Das milde, warme Klima der Donau sorgt für die Marillen und den Veltliner auf sanften Hügeln. Das 815 Hektar fassende Weinbaugebiet bekam bei seiner Abspaltung vom „Donauland“ 1995 den Namen „Traisental“. Menschen, die in den hiesigen Weindörfern leben, haben ein eigenes Bild vom Traisental. Die Region gehört zum Mostviertel und lässt sich per Rad erkunden. Der Radtramperbus bringt Gerät und Menschen von St. Pölten nach Kernhof. Von dort sind es 55 Kilometer zur Landeshauptstadt retour und weitere 23 bis zur Flussmündung in Traismauer mit direkter Anbindung an den Donauradweg. Entlang der stillgelegten Bahntrasse liegen bemooste Waldböden mit Farn in allen Grünschattierungen. Dazwischen sorgen Industrieunternehmen und eine Fabriksruine für landschaftliche Abwechslung. Von den herrschaftlichen Villen bröckeln einige vor sich hin. Gleichzeitig werden einige der typischen steinernen Bahnhofsgebäude neu belebt, zum Beispiel von einer Maßschuhmacherin in Kernhof oder durch ein Nostalgie-Café in St. Aegyd.

Die „Süßmeisterei Mahonie“ startet nun in die fünfte Saison. Der Chef Herbert Oysmüller ist Quereinsteiger. In seiner Heimat wollte er immer schon etwas bewegen. Gemeinsam mit seiner Frau Anna, die aus Rosenheim stammt und Konditorin gelernt hat, gestaltet er nun mit dem Lokal den Ort aktiv mit. Das Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1891 stand lange leer, seit März 2015 wird es mit neuem Leben erfüllt. Hündin Maxi, ein mittelbrauner Riesenschnauzer, überwacht das Geschehen. Alte Singer- Nähmaschinen und Truhen sind zu Tischen umfunktioniert. Die kulinarische Auswahl reicht vom Weißwurstfrühstück „Meine Heimat Bayern“ bis zum „Tussiburger“ mit Bio-Fisch aus Türnitz und hausgemachtem Eis in experimentellen Sorten wie Ingwer- Birne und Kürbiskernöl.

Schließlich kommt der Regenguss auch hier an. Tropfen fallen wie Hunderte Perlenketten. Vom Wegrand schauen uns grasende Kühe zu. Im Regen dampfen die Wälder der Mostviertler Alpen. Zum Glück geht es oft ein wenig bergab. Der Weg schlängelt sich hier nun durch ruhige Wohnsiedlungen. Ab Wilhelmsburg wird die Traisen breiter. Der Wald weicht einer Au und die Almen machen den Kukuruz-Äckern Platz. Die Kanadische Goldrute blüht als Farbtupfen am Feldweg. Graureiher, Schwäne und eine Entenfamilien bevölkern das Wasser. Wegen unseres tropfenden Auftretens verzichten wir auf den Besuch im Geschirrmuseum in Wilhelmsburg. Und statt einer Erfrischung in der Lilienfelder Strandbar „Salettl“ gibt’s am Nachmittag einen Saunaaufguss. Bei Schönwetter kann ja jeder Rad fahren, denke ich, als ich die Socken auswringe.

 

Autor: Juliane Fischer